A. Byrd, „The Brush Stroke as Catastrophe: Gasquet’s Cézanne and the Paintings of Bibémus Quarry

A. Byrd, „The Brush Stroke as Catastrophe: Gasquet’s Cézanne and the Paintings of Bibémus Quarry“, Racar, Canadian Art magazine, Bd. 34, Nr. 1, S. 41–52, Mai 2020, doi: 10.7202/1069499ar.

"In diesem Artikel untersuche ich Cézannes Darstellungen des Steinbruchs von Bibémus im Zusammenhang mit dem Essay Cézanne, in dem der symbolistische Dichter Joachim Gasquet über seine Gespräche mit dem Künstler berichtet und die Art und Weise kommentiert, wie dieser vor dem Motiv malte. Ich interessiere mich insbesondere für die geologischen Metaphern, die Gasquet verwendet, um Cézannes Verwendung von Pinselstrich und Fleck zu beschreiben - Metaphern, die ideologisch und ästhetisch eher hybrider Natur sind und daher umso stärker auf Cézannes Malprozess hinweisen. Der Artikel führt die Diskussion in Richtung einer formalen Analyse von drei von Bibémus' Gemälden, wobei darauf geachtet wird, nicht in den Formalismus (und dessen Betonung der ästhetischen Autonomie) abzugleiten."

(Aus der Einleitung des Artikels)

Cezanne's vielfach analysierte Malweise in Flecken, die der Künstler auf der Leinwand nach und nach in einer Art visuellem Sedimentatiosprozeß zu einem dichten, strukturierten Bild verdichtet hat, wird von Gasquet in den Zusammenhang mit natürlichen geologischen Prozessen gestellt. Die Autorin zeigt interessante Bezüge zu damaligen wissenschaftlichen Theorien der Geologie des sogenannten Katastrophismus und des Uniformismus auf. Cezanne war seit Schultagen mit Antoine-Fortune Marion (1846-1900 Aix-en-Provence), einem Spezialisten für Geologie und Paläontologie und Anhänger Darwins befreundet. Der Geologe malte und Cézanne interessierte sich wohl auch für Geologie. Beide unternahmen gemeinsame Exkursionen um Aix-en-Provence, der eine auf der Suche nach malerischen Motiven, der andere auf der Suche nach Fossilien. Gasquet kannte auch den Geologen, er beschrieb deren gemeinsame Aktivitäten, die teilweise parallel am gleichen Ort zu malerischen und geologischen "Aufzeichnungen" führten. Gasquet konstruierte in seinem mit geologischen Metaphern durchsetzten Essay Parallelen zwischen künstlerischer Schöpfung und erdgeschichtlicher Entwicklung.

Breiten Raum nimmt die Analyse Cezannes Malweise in Flecken ein. Das Paradox des "unschuldigen Auges" des Malers, der die Dinge ohne Einmischung des rationalen Erkennens von Gegenständen nur als reine Farbflecke sieht und auf die Leinwand überträgt und so gewissermaßen unbewußt ein wahres Bild der Realität erzeugt, wird zum Rätsel des Malaktes.

Auch die eigenartige "Perspektivlosigkeit" der Bilder Cezannes, der Räumlichkeit und Volumen nur durch Farbvariation darstellen wollte, wird im Artikel ausführlich diskutiert. Manchmal scheinen die ausufernden Interpretationen allerdings auch auf nicht ganz nachvollziehbare Abwege zu geraten.

Cezanne hat seine einzigartige und x-fach kopierte Malweise unter großen Anstrengungen und über lange Zeit hinweg entwickelt. Der Rückzug auf lokale, wiederholt aufgesuchte und bearbeitete Motive war dabei sicher eine wichtige Voraussetzung. In seinem Werk drückt sich die intime Kenntnis und enge Verbindung zur Kulturlandschaft der Provence aus.

Zu Lebzeiten war Cezanne ein Aussenseiter, verachtet und verlacht. Sehr spät hat seine Heimatstadt ihm den gebührenden Respekt und Stellenwert eingeräumt. Heute sind seine Gemälde untrennbar mit der Identität der provenzalischen Landschaft und der ikonischen Montagne Saint-Victoire verbunden.

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