Was kann ich beim Kopieren bzw. Nachzeichnen des Gemäldes "La Carrière de Bibémus" gelernt habe:
Die Felsen
Das Bild scheint auf den ersten Blick sehr übersichtlich. Beim Nachzeichnen der zahlreichen, verschachtelten und aufeinander bezogenen Felsformen zeigte sich aber, wie komplex, formenreich und sorgfältig abgestimmt das Gefüge der Felsen ist. Der Blick des Betrachters wird im oberen Teil des Bildes festgehalten. Die Felsformation in der oberen Bildhälfte steht und stützt sich auf die großen Felsen in der unteren Bildhälfte. Der Blick auf die Felsbasis ist aber am unteren Bildrand abrupt abgeschnitten. Die Basis des Steinbruchgeländes ist nicht sichtbar, das Bild wirkt dadurch "bodenlos". Die Statik der Felsformation erscheint nicht abgesichert.
Die Bäume
Die grünen Baumkronen rahmen die ockerfarbenen Felsen am oberen und linken Bildrand. Der Baumbewuchs scheint noch nicht sehr alt zu sein (vielleicht 20-30 Jahre), es sind überwiegend kleinere, gedrungene Baumformen zu sehen. Auf den Felsen ist die Vegetation nur spärlich angewachsen.
Der Himmel
Der Himmel ist nur als schmaler Streifen am oberen Bildrand angeschnitten. Der niedrige Horizont betont die Felsmassen, ganz so wie das Blickfeld dicht vor einer Felswand eingeschränkt wird. Gleichwohl wird der Steinbruch aus einer angehobenen Perspektive, wie auf Augenhöhe, betrachtet. Der kleine Himmelsausschnitt ist für die Komposition von großer Bedeutung. Die fein gearbeiteten hellen Stellen im Kontakt mit den Baumkronen halten die schweren nach unten strebenden Felsmassen.
Die Farben
Cezanne hat die Farbtöne in vielen, gebrochenen Schattierungen und Nuancen aufgetragen. Während die Farben des Himmels und die Grüntöne in den Kronen der Kiefern aus relativ wenigen Basistönen gemischt scheinen, steigt die Zahl der Farbnuancen in den Felsen stark an. Cezanne hat eine große Zahl von Grautönen und eine noch größere Zahl von rötlichen Ockertönen im Bild verwendet. Die räumliche Ausdehnung und der Schattenwurf der Felsen wird in sanften Kontrasten sichtbar und nicht durch harte Schatten, wie es im grellen Licht der Provence oft zu sehen ist.
Im Himmel sind neben zwei dominierenden Blautönen auch zarte rötlich violette Partien zu erkennen, deren Darstellung mit den Buntstiften nicht besonders überzeugend gelang.
Auch gelang es mir nicht, die vielen Grau- und Ockertöne so fein abgestuft und harmonisch miteinander abzustimmen, obwohl eine beachtliche Anzahl von Farbtönen zur Verfügung stand und Verwendung fand.
Die durchgehende, souveräne Beherrschung der Farbtöne ist ein hervorstechendes Merkmal für Cézannes Malerei.
Die gezeichnete Kopie
Cezanne hat geschlossene Konturlinien u.a. bei Ingres und Gauguin vehement abgelehnt. Die Zeichnung wirkt durch die Umrisslinien und die weniger differenzierte Farbgebung wie eine einfache, kolorierte Umrisszeichnung. Die räumliche Anordnung der Felsen bleibt in der Zeichnung an einigen, wichtigen Stellen unklar.
Cezanne erzeugt dagegen sanftere Farbübergänge, die in Schichten ineinander übergehen. Seine Modulation der Farben gibt ein breiteres Hell-Dunkel-Spektrum wieder. Die Konturen der Bildelemente entstehen im Auge des Betrachters durch den Pinselduktus und die Nachbarschaft unterschiedlicher Farbtöne. Tatsächlich gibt es in der Natur keine oder nur ausnahmsweise klare Konturlinien.